
Virtuelle Technik im TV
Wenn am heutigen 07.05.12 die neue ZDF-Telenovela »Wege zum Glück – Spuren im Sand« startet, werden die Zuschauer überrascht sein: Denn aufwendige Aufnahmen am Ozean beispielsweise gehören nicht unbedingt zum Standard in den Endlos-Serien, die in Masse und kostengünstig produziert werden müssen.
Bilder: © ZDF / David Saretzki, Joachim Bischoff
»Wir müssen tief in die Trickkiste greifen, um dem Zuschauer diese wunderbaren Bilder zeigen zu können«, erklärt Jan Diepers, verantwortlicher Executive Producer bei Grundy UFA, »die Geschichte von 'Wege zum Glück – Spuren im Sand' wird umrahmt von wunderschönen sonnigen Landschaftsaufnahmen an der Küste. Das ist angesichts des deutschen Wetters und dem Drehbeginn im Winter natürlich nur mit hohem Aufwand und dem Einsatz von VFX-Technologie möglich.« Einzelne Meer- und Himmelsbilder wurden auf Malta und in Los Angeles erstellt. Diese Aufnahmen haben VFX-Spezialisten dann in die Telenovela eingearbeitet.
Auf dem Studiogelände in Potsdam-Babelsberg entstand zudem eine Hafenstadt – mit Blick vom Kai aus aufs Meer, das auf eine grüne Leinwand projiziert wird. Virtual Backlot heißt das im Fachjargon: eine Außenkulisse, die durch digitale Bilder ergänzt wird. Das war vor noch nicht allzu langer Zeit nur in großen Hollywoodfilmen möglich. Doch die Technik wird immer kostengünstiger und besser.
Heute ist im Fernsehen kaum noch zu unterscheiden, ob etwas echt gedreht oder im virtuellen Studio produziert wurde. Ob Serien, Dokumentationen oder auch in den Nachrichtenstudios – virtuelle Welten sind Alltag. Das Abendmagazin »MDR Sachsenspiegel Extra« präsentiert sich seit Januar ebenfalls in einem virtuellen Fernsehstudio, etwa mit einer virtuellen Glaswand im Vordergrund der Studiogestaltung. Fährt die Kamera an dieser Wand vorbei, werden Lichtbrechung und Reflexionen im Glas exakt berechnet und im Bild wiedergegeben. Der Sender betont, dass Informationen und Raumgefühl damit visuell noch ansprechender präsentiert werden können. Auch längere Umbaupausen entfallen nun, da eine reale Dekoration nicht mehr notwendig ist.
Entwickelt wurde die entsprechenden Setups von vr3 virtual production, die ein privat betriebenes virtuelles Studio in Düsseldorf für freie Produktionen anbieten. Geschäftsführer Jochen Schreiber, der mit seinem Team aktuell auch für Super RTL und Disney tätig ist, sieht im Einsatz virtueller Technologie eine logische Konsequenz auf die immer anspruchsvoller werdenden Sehgewohnheiten des Publikums: »Gepaart mit dem Wunsch der Sender nach eindeutigem und unverwechselbarem Sender-Design, gerade bei den Flagships News, Magazinen, etc., ist der Highend-Look virtueller Produktionen das Mittel der Wahl, um Inhalte zeitgemäß an die verschiedenen Zielgruppen anpassen zu können.«
Diese Abkehr vom »Kasperle-Theater Fernsehen« mit starrem, eingefrorenen »Tunnelblick-Kameraeinstellungen« ermöglicht in der Sicht der Düsseldorfer eine emotionalere und damit wirksamere Bildsprache. Das trifft besonders auch für die aktuelle TV-Berichterstattung zu: Viele Nachrichtenstudios sind mittlerweile virtuell oder verwenden virtuelle Elemente.
Das internationale Agenturnetzwerk Bruce Dunlop (BDA) hat bereits für viele Sender, darunter BBC und Sky entsprechende Studios entwickelt. Zukünftig wird die Einbindung von Internet und sozialen Netzwerken bei den News der nächste Schritt sein, wie der Geschäftsführer von BDA München Philipp Wundt prognostiziert: »Eine der größten Herausforderungen ist wohl die Explosion der neuen öffentlichen Plattformen, etwa Twitter oder die Applikationen für mobile Endgeräte, die den Nachrichtenfluss extrem beschleunigt haben. Wir brauchen dringend eine Plattform, die wir als Filter für all diese Angebote nutzen können. Sozusagen eine Umgebung, die als Vehikel funktioniert, um alle Medienformen, angefangen bei Twitter bis hin zu klassischen TV, zum Konsumenten zu transportieren.« www.vr3.de, www.bdacreative.com
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