
Mehr als Unterhaltung
Das vernetflixte siebzigste Jahr des Filmfestivals bot Gelegenheit zur Reflektion. Prof. Arnold Vahrenwald war natürlich auch zum runden Jubiläum in Cannes.
Geht es um den Kinofilm im engeren Sinne oder um das künstlerische audiovisuelle Produkt – welche Kriterien sollen von der Jury angewandt werden? Seit den 80er Jahren haben sich dem Film neue Märkte durch das Privatfernsehen erschlossen, die Digitalität kam in den 90er Jahren hinzu und schließlich bieten sich neue Methoden der Wahrnehmung audiovisueller Inhalte durch Interaktivität und Dreidimensionalität.
Festival-Direktor Thierry Frémaux hatte denn auch Filme in den Wettbewerb aufgenommen, die von Streaming-Dienstleistern finanziert worden waren. Selbst wenn sich künstlerische Qualität von Filmen im Wettbewerb unabhängig von Vermarktungswegen analysieren lassen, so beschäftigten die neuen Vermarktungstechnologien fast alle Künstler, Regisseure und Produzenten des Films, die sich in diesem Jahr an der Croisette versammelt hatten. Liegen die vehementen Proteste gegen die Filme im Wettbewerb, die Netflix finanziert hatte (Noah Baumbachs »The Meyerowitz Stories« und Bong Joon-Hos »Okja« – eine 550-Mio.-USD-Produktion), darin begründet, dass den Filmkünstlern durch die Online-Vermarktung die Möglichkeit der Beherrschung des im Kinosaal passiv konsumierenden Publikums genommen wird, das nun, unabhängig von der Kinoprogrammierung, selbst in die Hand nimmt, was, wo, wann und wieviel es konsumiert?
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