
Näher betrachtet
In letzter Zeit ist das Interesse an ARRIs Großformatkamera Alexa 65 sprunghaft angestiegen. Ruodlieb Neubauer konnte im ARRI-Kino in München einige Testdrehs mit der Alexa 65 sehen und darüber mit DoP Tom Faehrmann, Dr. Johannes Steurer, einem der leitenden Entwicklungsingenieure bei ARRI, und Produktmanager David Zucker von ARRI Rental sprechen.
»Als ich das erste Mal hörte, dass bei ARRI eine Gruppe unter der Leitung von Dr. Achim Oehler eine Großformat-Kamera entwickelt, machte ich mir Sorgen um die extrem hohe Auflösung, haben wir doch schon genug Stress mit dem digitalen Super 35mm-Format«, erzählt Tom Faehrmann. Nach dem Ende des analogen Films sind CloseUps von Schauspielern, gerade wenn sie etwas älter sind, nicht wirklich einfach zu fotografieren und nun sollten noch viel mehr Pixel jede einzelne Pore erfassen. Natürlich gibt es beim Bildermachen ziemlich unterschiedliche Herangehensweisen: Die einen wollen eine Kamera mit hoher Auflösung und hoher Framerate sowie möglichst neutraler Farbgebung um genau das abzubilden, was vor der Linse ist. Die anderen wollen eine Geschichte erzählen, und eine Realität erzeugen, die gerade keine wissenschaftlich perfekte Abbildung des Vorhandenen zeigt. »Zumindest im narrativen Bereich müssen wir eine Realität erschaffen. Da ist die Hälfte der Arbeit des Kameramannes, nicht zu zeigen, sondern zu verstecken und eben nur das Wesentliche sichtbar zu machen.« Man habe Kodak immer in den Ohren gelegen, noch weniger Korn haben zu wollen. »Jetzt ist es weg, und nun merken wir auf einmal, was uns da alles geholfen hat, ein wunderbares Portrait zu gestalten.« Tom Faehrmann hatte geglaubt, dass das große Format die Potenzierung aller Probleme bedeuten könnte, die man als Kameramann so hat. Schließlich bewirkt die immer höhere Auflösung der Kameras, dass man jedes Fältchen, jede noch so kleine Unreinheit, gnadenlos sichtbar machen kann.
Deshalb schlug er ARRI vor, als er gebeten wurde, mit der Alexa 65 einen ersten Test zu drehen, eine Reihe von ganz normalen Menschen mittleren Alters, etwa von 40 aufwärts, ins gleiche Licht zu setzen. Damit würde klar sein, ob man tatsächlich den Supergau der Abbildung hätte. »Ich wollte den Stier bei den Hörnern packen und die Kamera da einsetzen, wo ich mir die größten Sorgen machte.« »Faces« entstand mit einem der ersten funktionierenden Prototypen, der sich bereits in einem sehr ähnlichen Gehäuse befand, wie man die Alexa 65 heute kennt. Also um die Cinec vor zweieinhalb Jahren.
»Als ich das Material auf der Kinoleinwand sah, war ich vollkommen perplex. Auf einmal hatten wir wunderschöne Bilder, ähnlich den Portraits mit Großformat-Fotokameras.« Man hatte keine professionelle Maske engagiert, die Personen wurden so gefilmt, wie sie ins Studio kamen, mit ihrem eigenen MakeUp oder eben ohne. Nur den Schweiß tupfte man ab. »Als ich die Bilder sah, hatte ich sofort das Gefühl, dass ich eine große Empathie mit diesen Leuten entwickelte. Ich fand sie toll, konnte diese Gesichter stundenlang anschauen. Das hatte ich nicht erwartet.« Besonders bei Schauspielerinnen ist es normalerweise für die Weiterbeschäftigung ein gefürchtetes Hindernis, wenn man den Alterungsprozess gnadenlos im Bild sieht. »Man sieht mit der Kamera alles, aber plötzlich ist alles wunderbar, das war eine faszinierende Erfahrung!«, meint Tom Faehrmann.
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