Technologie und Medienrealisation in Film und Video
25. Int. Steadicam-Workshop | EVENTbericht    Ausgabe 02/17

Steadicamp 2016

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Gegen Ende des Jahres fand am Starnberger See der nunmehr 25. internationale Steadicam-Workshop statt. Hans Albrecht Lusznat BVK berichtet.

Peter Robertson © Duri Mayer

Peter Robertson © Duri Mayer

 

Das Steadicam ist eines der wenigen Geräte in der Welt der digitalen Filmproduktion, das sich nicht selbst erklärt und von jedem Willigen nach Lesen der Gebrauchsanweisung oder An­sehen eines Videotutorials bedient werden kann. Das liegt in der Natur der Sache. Im Prinzip ist das Führen eines Steadicams ein permanenter Balanceakt, und genauso wenig wie ein Zuschauer im Zirkus mal eben einen oder mehrere Stühle auf der Kinnspitze wie ein Artist balancieren kann, ist irgendjemand in der Lage, beim ersten Anlegen eines Steadicamsystems brauchbare Bilder zu generieren. Kurz, man braucht Erfahrung und sehr viel Übung, und man kann von denen lernen, die das System perfekt beherrschen.

Für alle, die das Gerät ausprobieren wollen, um herauszufinden, ob ihnen diese Arbeit liegt, und für alle die schon arbeiten, aber dazulernen wollen, gib es schon seit langer Zeit meist mehrtägige Workshops, auf denen man den Umgang mit dem Gerät trainieren kann.

Die Workshop-Idee kam schon kurz nach dem Verkaufsstart erster Geräte im Jahr 1976 auf, nachdem allen Beteiligten klar wurde, dass ein Absatz der Technik nur mit einem entsprechenden Schulungsangebot langfristig Erfolg haben konnte. So sind viele Workshops herstellergetrieben und auf bestimmte Produkte ausgerichtet. Die Internationalen Steadicam Workshops Europe wurden zwar auch vom Steadicam-Produzenten Cinema Products/Tiffen initiiert, hier standen aber erfahrene und verdiente Operators im Vordergrund, die ihr Wissen an die Teilnehmer vermitteln wollten. 1983 fand der erste dieser Workshops unter Leitung des Steadicam-Erfinders Garrett Brown und des italienischen Operators Nicola Pecorini in L’Aquila in Mittelitalien statt und wurde von Pecorinis Firma mit Unterstützung von Cinema Products ausgerichtet. Bis jetzt wurden die Internationalen Steadicam Workshops in Europa fünfundzwanzig Mal veranstaltet, zuletzt im November 2016 in Feldafing am Starnberger See, unter Leitung von Peter Robertson und Larry McConkey. Zwölf dieser Workshops hat Chris­tian Betz bisher mit seinem Team von Betz-Tools GmbH und seiner jahrzehntelangen Erfahrung ausgerichtet und initiiert, und weil er hersteller­unabhängig ist und möglichst jede verfügbare Technik für seine Workshops versammelt, verdienen diese Veranstaltungen wirklich den Workshop-Begriff. Im professionellen Steadicam­geschäft tummeln sich drei bis vier, wenn man es weiter fasst ungefähr zehn Hersteller, die aber nicht alle komplette Systeme, sondern zum Teil nur einzelne Komponenten wie Weste, Arm und Rig liefern. Beim Steadicamp 2016 konnten die Teilnehmer vieles vom aktuellen technischen ­Angebot, mechanisch und elektronisch stabilisiert, ausprobieren und erproben. Schon kurz nach der Ausschreibung waren die 20 verfüg­baren Plätze von internationalen Interessenten belegt, darunter Teilnehmer aus Deutschland, ­Österreich, Spanien, Portugal, Italien, Frankreich, Irland und den USA. Acht Teilnehmer waren Neulinge, die restlichen zwölf hatten Erfahrungen von drei bis 17 Jahren.

Teilnehmer

Steadicam ist immer noch ein vorwiegend von Männern betriebenes Geschäft; unter den 20 Teilnehmern waren nur zwei Frauen. Eingeteilt zu je vier Personen entstanden zwei Anfänger und drei Fortgeschrittenen-Gruppen, die je von einem erfahrenen Operator wechselnd angeleitet wurden: Larry McConkey, (USA), »Lucy« 2014 »WorldWar Z« 2013 »Hugo Cabret« 2011, »Kill Bill« 2003, »Good Fellas« 1990; Peter Robertson, (GB), »The Foreigner« 2016, »Edge of Tomorrow« 2014, »Pirates of the Caribbean« 2011; Nicola Pecorini, (I), »Brothers Grimm« 2005, »Tideland« 2005, »Cliffhanger« 1993, »Little Buddha« 1993; Patrick De Ranter, (B), »ziemlich beste Freunde« 2011, »Die fabelhafte Welt der Amelie« 2001, »Aimée & Jaguar« 1999; Jörg Widmer, (D), »Tree of Live« 2014, »Pina« 2011, »Inglorious Basterds« 2009, »Das Parfüm« 2006.

Ab dem vierten Tag wurden alle Teilnehmer wieder gemischt. »Es geht nicht darum, auf dem Workshop die Handhabung der Technik zu perfektionieren. Das können die Teilnehmer später durch gezieltes Training und Üben machen, wenn sie wissen, worauf es ankommt und wo ihre persönlichen Schwächen sind, die sich dann optimieren lassen«, fasst Christian Betz dieses neue Konzept zusammen, das beim 25. Workshop erstmals erprobt wurde – und sich bewährt hat. Auch der erfahrene Teilnehmer mit 17 Jahren ­Berufspraxis findet auf solch einem Workshop noch Möglichkeiten, seine Arbeit mit dem Gerät zu überdenken und bestimmte Aufgaben auf ­andere Weise zu lösen.

Am Ende mussten sich dann alle Teilnehmer einer konkreten Aufgabenstellung unterziehen: sie sollten für eine vorgegebene Handlung von zwei Minuten Länge eine Einstellung entwerfen und in 50 Minuten einen brauchbaren Steadicam-Take drehen. Auch das Material war beschränkt. Die Speicherkarte konnte nur vier Versuche speichern, was den jeweiligen Operator zu klaren Entscheidungen zwang, Unbrauchbares sofort zu ­löschen. Übungen wie diese helfen dem Operator, das Steadicam als erzählendes Instrument ­einer Filmproduktion zu verstehen und entsprechend visuelle Konzepte zu entwickeln. Von den fünf Instruktoren wurde aus jeder Gruppe ein Siegerspot für die Präsentation ausgewählt.


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