Technologie und Medienrealisation in Film und Video
50 Jahre DFFB | Jubiläum    Ausgabe 02/17

Auf die Barrikaden

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Einst galt sie als linke Kaderschmiede, an der die roten Fahnen flattern, jüngst protestierten ihre Studenten gegen eine gefürchtete Vereinnahmung durch die Filmindustrie. Sonja M. Schultz zum 50. Geburtstag der dffb – der »Politischen« unter den Filmhochschulen.

@ Lisa Winter

@ Lisa Winter

 

»Ich glaube, das ist die beste Institution, die die Bundesrepublik je hervorgebracht hat.« Das sagte Christian Petzold in einem Interview – und das will was heißen. Eröffnet wurde die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin im September 1966 durch den damaligen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Die neue Ausbildungsstätte sollte helfen, den lange benötigten Schwung ins müde Nachkriegskino zu bringen. »Abschied von gestern« war angesagt; die Energien des Jungen Deutschen Films lagen in der Luft. Im Osten Deutschlands gab es schon seit Mitte der 50er Jahre die Möglichkeit, an der Hochschule in Potsdam-Babelsberg das Filmhandwerk zu lernen. Der Westen zog erst später nach, zunächst mit der Einrichtung von Filmklassen an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. 1966 folgten die HFF in München und die Berliner dffb diesem Vorbild.

Bauhaus für Film

Gründungsdirektoren der neuen Akademie wurden Erwin Leiser und Heinz Rathsack. Die Voraussetzungen schienen gut: Leiser, der als 15-Jähriger mit seinen jüdischen Eltern aus Deutschland emigrieren musste, schuf später mit Dokumentarfilmen wie »Mein Kampf« (1960) oder »Deutsch­land, erwache!« (1968) Klassiker der filmischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Rathsack hatte sich intensiv mit den Strukturen europäischer Filmhochschulen beschäftigt und galt als Experte auf diesem Gebiet. Seine ­Vision: Die Akademie solle »ein Bauhaus des Films und des Fernsehens werden«.

Das bedeutete, den Studierenden eine offene Lehrwerkstatt zur Verfügung zu stellen, an der nichts von vorneherein festgelegt war, aber alles ausprobiert werden durfte. Die Filmschule sollte keine altgedienten Rezepte nach den strengen Weisungen der Dozenten weitergeben. Stattdessen war es erlaubt, eigene Fehler zu machen, ­eigene Erfahrungen zu sammeln. Untergebracht war die Utopie einer Akademie gegen die »herrschende Produktionspraxis« (Heinz Rathsack) zunächst im Deutschland-Haus des SFB. Dort standen den Erstsemestern ein Schneidetisch und eine 16mm-Kamera zur Verfügung. Bei der Raumbelegung mussten sie sich mit dem Sender abstimmen.

Erfahrungen mit der Lehre sammelten auch die Dozenten, die teils nicht viel älter waren als ihre Studenten. »Wir waren gleichermaßen jung und bewegt von dem, was in der Stadt geschah und überhaupt in der Welt geschah an Umbruch und Aufbruch«, erinnert sich Klaus Kreimeier in ­einem Video zur dffb-Geschichte. Kreimeier begann 1971, an der Akademie zu unterrichten. Bevor er zum offiziellen Hearing an der Hochschule antrat, prüfte ihn erst einmal Student Malte Ludin beim inoffiziellen Gespräch auf Herz, Nieren und Marxismus-Kompetenz.

Auch Helke Sander stellte fest: »Es gab keinen systematischen Unterricht, weil auch niemand wusste, wie man so eine Filmakademie führt.« Sander gehörte zum legendären ersten Jahrgang der dffb. 245 Interessenten bewarben sich damals; 32 Studenten und drei Studentinnen durften ihr Studium beginnen. Mit dabei: Hartmut ­Bitomsky, Harun Farocki, Wolf Gremm, Thomas Mitscherlich, Wolfgang Petersen, Daniel Schmid, Irena Vrkljan und Christian Ziewer. Bekanntester Filmaussteiger wurde bald darauf: Holger Meins. Bekanntester Abgelehnter der Aufnahmeprüfung: Rainer Werner Fassbinder. Erwin Leiser notierte immerhin zur Bewerbung des 20-jährigen Schauspielers: »verblüffend in seiner Schlagkraft«.


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