
Diene Ehrlich Friedlichem Aufbau!
… so wurde einst das Kürzel DEFA interpretiert. Sonja M. Schultz zum 70-jährigen Jubiläum eines Studios, das berühmt wurde für Märchenfilme und ostdeutsche Western, Antifaschismus und Zensur. Und auch für viele Zwischentöne.
Der jüngste Film der Coen-Brüder ist eine harmlose Komödie über das US-amerikanische Studiosystem im Goldenen Zeitalter Hollywoods: »Hail, Cesar!« Wie würde wohl eine Komödie über das ostdeutsche Filmstudio DEFA aussehen? Angesiedelt Anfang der 50er Jahre, in der Hochzeit stalinistischer Kulturpolitik? Vielleicht müsste solch ein Film die Tragödie oder Groteske streifen, spannend wäre er allemal. Denn die Geschichte der DEFA ist deutsche Geschichte nach dem Ende des Faschismus, ist DDR-Kulturgeschichte, geprägt vom ständigen Ringen zwischen Ideologie, Kunst und Unterhaltung. Es ist die Geschichte eines politisch gelenkten Riesenkonzerns, in dem einerseits unterschiedlich streng gehandhabte Propagandavorgaben herrschten, andererseits immer wieder Regisseure versuchten, ein starres System zu bewegen und eine Gesellschaft zu erreichen, die mit dem Versprechen aufgebaut worden war, einen besseren Staat zu schaffen – und bessere Menschen.
Film als Volkserzieher
Die DEFA wurde am 17. Mai 1946 als erste große deutsche Filmgesellschaft gegründet. Im Gegensatz zu den westlichen Alliierten, deren Interesse am Wiederaufbau einer deutschen Filmindustrie zunächst nicht sehr groß war, sahen die Vertreter der Sowjetischen Besatzungszone die Filmarbeit als ein Mittel zur Bewusstseinsentwicklung an und unterstützten deutsche Film-Aktivitäten. Gemäß der Einschätzung Lenins, Film sei die »wichtigste aller Künste«, sollte die Gründung der Deutschen Film AG bei der Demokratisierung des Landes mithelfen. Programmatisch ist der erste deutsche Nachkriegsfilm »Die Mörder sind unter uns« von Wolfgang Staudte. Er begründete die lange Tradition antifaschistischer Spielfilme des Studios – darunter Werke wie Frank Beyers »Nackt unter Wölfen« (1963) oder »Ich war 19« (1968) von Konrad Wolf.
Zu Beginn bot die DEFA mit ihrem strukturellen Vorsprung gegenüber dem Westen und einem zunächst verhältnismäßig liberalen Kurs ideale Arbeitsbedingungen. Zum Studio gehörten zwölf Aufnahmeateliers, Trick-, Synchron- und Mischateliers, ein Kopierwerk und ein Kino. Es gab gewaltige Requisiten- und Kostüm-Magazine und ein eigenes Sinfonieorchester. Den Mitarbeitern standen auf dem ehemaligen Gelände der Ufa u.a. Kindergärten, Friseur, Sauna und Fleischerei zur Verfügung. Das klingt nach einem perfekten Arbeitsumfeld. Doch bald wurde die politische Kontrolle verschärft.
Künstlerische Linie wurde der »sozialistische Realismus« – was immer unter dem Schlagwort jeweils zu verstehen war. In einer Resolution des Politbüros des Zentralkomitees der SED heißt es 1952: »Nur die Kunst des sozialistischen Realismus, die auf dem Marxismus-Leninismus basiert, vermag die Wirklichkeit objektiv widerzuspiegeln. Eine wahrhaft volksverbundene Kunst muss von der Weltanschauung der führenden Klasse der Nation, der Arbeiterklasse, inspiriert und geleitet sein.« Regisseur und Kameramann Richard Groschopp kommentierte später die Unsicherheit unter den Filmkünstlern über den vorgeschriebenen Kurs: »Wollte ein Filmemacher einen Stoff realisieren, so durchschritt er gewissermaßen einen Gang mit geheimen Klingelkontakten. Und es klingelte, wenn er in die Nähe kam von: Formalismus, Praktizismus, Opportunismus, Revisionismus, Funktionalismus, kritischer Realismus, Surrealismus, Schematismus, Bürokratismus, Psychologismus usw. usf.« – Viele Ismen und ein großer Unwille, die Wirklichkeit ehrlich anzuschauen.
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