
Bandlose Workflows mit Premiere Pro CS6
Die native Verarbeitung von bandlosen Aufzeichnungsformaten ist die Kernphilosophie der Schnittlösung von Adobe. Ohne eine zeitaufwendige Konvertierung der Clips in einen Intermediate-Codec lassen sich typische Formate wie XDCAM, P2, AVC-Intra und andere direkt verarbeiten. Sven Brencher gibt einen Überblick.
Mit jeder neuen Version hat Adobe die Liste der Formate erweitert und kontinuierlich die Unterstützung der bestehenden verbessert. In der aktuellen Version der Creative Suite 6 hat Adobe sich auf das MXF-Format konzentriert und wichtige Funktionen hinzugefügt, die regelmäßig bei Fernsehsendern oder professionellen Produktionsfirmen eingesetzt werden.
Ingest- und Logging
Neben dem internen Media-Browser von Premiere Pro steht der Import von Clips von digitalen Aufzeichnungskarten über Adobe Prelude CS6 zur Auswahl. Im Gegensatz zum Media-Browser lassen sich die Clips beim Ingest an einen oder mehrere Speicherorte kopieren und dabei sogar in andere Formate transkodieren. Um Fehler beim Kopieren zu vermeiden, verfügt Prelude über einen Bit-by-Bit-Vergleich, der sicherstellt, dass alle ausgewählten Clips korrekt übertragen werden. Die eigentliche Aufgabe von Prelude sind die Logging-Funktionen. Redakteure können auf diese Weise zusätzliche Informationen in Form von Marken an den Cutter übergeben oder selbst sogar schon einen sehr einfachen Rohschnitt erstellen.
Alle in der Anwendung gesammelten Informationen, Subclips, Schnitte und Markierungen lassen sich direkt an das offene Premiere Pro-Projekt senden oder als Paket exportieren, wenn der Cutter beispielweise schon an einem anderen Arbeitsplatz darauf wartet.
Wenn sich die Clips bereits auf der Workstation befinden oder, wenn es sich um einen schnellen Schnitt direkt vom Aufzeichnungsmedium handelt, entfällt der Weg über Prelude, und der Cutter kann die Clips über den Media-Browser in Premiere Pro direkt importieren. Sowohl Prelude als auch der Media-Browser erkennen die teilweise sehr komplexen Verzeichnisstrukturen von Formaten wie XDCAM, AVCHD oder P2 und vereinfachen den Import, indem sie direkt die Clips in einer Listendarstellung oder sogar in einer Thumbnail-Ansicht mit JKL-Vorschau darstellen.
Schnitt mit bandlosen Formaten
Adobe hat speziell in den jüngsten Versionen von Premiere Pro viele Kundenwünsche berücksichtigt, mit eigenen Neuerungen ergänzt und die Bedienung wesentlich verbessert. So ist eine flexible Vorgehensweise entstanden und Anwender von Apple Final Cut Pro oder des Media Composers von Avid können sich schnell in das Timeline-Konzept einarbeiten. Praktisch hierbei ist, dass man die Tastaturbefehle direkt auf die von FCP oder des Media Composer umstellen kann. Um Anwendern, die bisher noch keine nativen Formate bearbeitet haben und jetzt vor der Herausforderung stehen, die Sequenzeinstellungen passend zum Quellmaterial vorzunehmen, die Bearbeitung zu erleichtern, genügt es nun, einen Clip ganz einfach in die Timeline zu ziehen. Die Schnittsoftware analysiert den Clip und schlägt vor, die Sequenzeinstellungen entsprechend zu optimieren.
In früheren Versionen von Premiere Pro war ein großer Teil der Bedienoberfläche mit Funktionen überfrachtet. Mit CS6 hat dies ein Ende, denn nun stehen die Medien im Mittelpunkt und die Oberfläche lässt sich auf die tatsächlich benötigten Funktionen reduzieren. Gerade bei der Arbeit mit hochaufgelöstem Videomaterial ist es vorteilhaft, die Clips so groß wie möglich darstellen zu können. Cuttern, die bevorzugt mit der Tastatur arbeiten, dürfte das sehr entgegenkommen. Die Transportsteuerungen sind unter dem Quell- und Programm-Monitor individuell anpassbar oder können vollständig ausgeblendet werden. Der Vorschaubereich im Projektfenster ist zunächst ausgeblendet und durch eine Hover-Scrub-Funktion ersetzt. Darüber hinaus wurde die Darstellung für bereits verwendetes Material verbessert: Mit einem einzigen Klick zeigt die Software, wo und in welchen Sequenzen ein entsprechender Clip verwendet wurde.
Einfacher geworden ist im Vergleich zu den vorangegangenen Versionen auch der Umgang mit einem zweiten Monitor für die Vollbildwiedergabe in HD. Die entsprechende Einstellung findet sich jetzt in den Voreinstellungen unter »Wiedergabe« und kann beim mobilen Schnitt auch auf einen an einem Laptop angeschlossenen Computermonitor ausgegeben werden.
Zusätzlich wurden die Trim-Funktionen ebenfalls deutlich verbessert: So lassen sich Schnittkanten auswählen – sogar eine Mehrfach- oder Marquee-Auswahl mehrerer Bearbeitungen ist gleichzeitig möglich. Mit dem Ripple-Edit-Werkzeug kann der Cutter einen Rahmen um mehrere Clips ziehen und das Material in einem Durchgang kürzen. Per Tastaturbefehl oder Rechtsklick lässt sich der Bearbeitungsmodus zwischen Roll-Edit, Ripple-Edit und Standard-Edit wechseln. Sogar eine asynchrone Bearbeitung oder eine Auswahl über mehrere Spuren ist möglich: Der Cutter kann so mit einem gleichzeitigen Ripple-In und Ripple-Out den Clip unterschieben (Slip Edit) oder den Clip mit zwei Roll-Schnitten in der Timeline verschieben.
Neben den flexibleren Schnittoptionen in der Timeline ist auch der Trim-Modus angepasst worden. Er lässt sich am schnellsten durch Drücken der Taste »T« im Programmmonitor öffnen. Der Schnitt kann auch hier via Maus oder Tastatur durchgeführt werden. Im Trim-Modus ist es auch möglich, live mit der JKL-Steuerung während der Wiedergabe zu schneiden. Während mit den Tasten »J« und »L« die Sequenz abgespielt wird, entscheidet man mit »K«, bis wohin der entsprechende Schnitt durchgeführt werden soll.
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