Technologie und Medienrealisation in Film und Video
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Ludwig II | Produktionsbericht    Ausgabe 01-02/13

Der große Traum

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War’s nun Mord oder nicht? Das wird wie Majestät selbst ein ewig’ Rätsel bleiben – trotz jahrelanger intensivster ¬Recherchen von Peter Sehr und Marie Noëlle in sonst unzugänglichen Archiven. Das opulente Historiengemälde der beiden Regisseure und von DoP Christian Berger, dürfte auch so jene Menschen weltweit interessieren, die sich ¬alljährlich die »Spinnereien« des friedliebenden Königs nicht entgehen lassen wollen. Romain Geib berichtet.

Nach über 40 Jahren Berufspraxis als Kameramann steht für Christian Berger heute normalerweise der Einsatz filmtechnischer Mittel bei seiner Arbeit nicht mehr an vorderster Stelle. Vielmehr kommt es ihm vor allem auf eine bestimmte Betrachtungsweise an – und auf einen klaren Standpunkt. Diesen versucht er dann möglichst über den gesamten Filmprozess beizubehalten, ohne sich durch den Einsatz von Technik ablenken zu lassen. Doch angesichts des digitalen Neulands, das er mit »Ludwig II« betreten hat, dürfte es ihm diesmal nicht ganz so leicht gefallen sein, sich von moderner Kameratechnik gänzlich unbeeindruckt zu zeigen. Für den österreichischen DoP (A.A.C.) waren die Dreharbeiten nach eigenen Angaben ein »viermona­tiges expeditionsartiges Unternehmen (über 70 Drehtage, 100 verschiedene Sets, 120 Mitarbeiter) und eine wahre Suche nach dem Verborgenen hinter der Privatperson des mächtigen Märchenkönigs und dessen prunkvoller Macht.« Es ist sein besonderer, präziser Blick auf Menschen und auf die Natur, der uns als Zuschauer von »Ludwig II« die faszinierende Persönlichkeit des idealistischen friedliebenden Bayernkönigs von innen her ergründen lässt. Und dessen Empfinden für die Schönheit und den Traum einer besseren Welt, in der einzig die Fantasie und die Menschlichkeit regiert.

Das Drehbuch der deutsch-österreichischen Produktion (Bavaria Pictures / DOR Film / Warner Bros. / Degeto / Rolize Film) wurde vom Regie-Gespann Peter Sehr und Marie Noëlle über etwa acht Jahre gemeinsam entwickelt (MEDIA-Programm der EU). Mit den Mitteln der filmischen Fiktion, die auf neuesten, bislang unveröffentlichten historischen Quellen aus dem geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher basieren. So orientiert sich die Erzählung etwa an aktuellen Erkenntnissen aus bisher unbekannten Briefwechseln, und offenbart intimeren Einblick in Ludwigs Leben, als dies bisher möglich war. Die beiden Filmemacher wollten keine konventionelle Biografie des bayerischen Märchenkönigs nachzeichnen, sondern »die Zuschauer auf eine Reise mitnehmen, die ihren Anfang im wirklichen Leben Ludwigs nimmt, und uns Stück für Stück die Tore zu seiner Fantasiewelt öffnet.«

Dabei erforscht das Filmerpaar Ludwigs Innen­leben, seine Leidenschaften und Abgründe. Alles mit dem Ziel, dem außergewöhnlichen Menschen hinter dem Mythos nahe zu kommen und ihn, seine Weltsicht und seine Visionen besser verstehen und schätzen zu lernen. »Es ist ein Blick, gleichzeitig zurück und nach vorn in unsere Gegenwart, der uns zeigen soll, dass Ludwigs Vorstellungen seiner Zeit um 150 Jahre ­voraus waren,« beschreibt Regisseur Peter Sehr das fantasievolle cineastische Experiment. An der Seite des fast symbiotisch agierenden ­Regie-Duos arbeitete ein hochkarätiges Filmteam, ­neben Christian Berger, Christoph Kanter (»Das weiße Band«) für Szenenbild und Ausstattung, Waldemar ­Pokromski (»Parfum«) in der Maske, Gerhard Golln­hofer (»Henri IV«) für die Kostüme sowie Bruno Coulais (»Unsere Ozeane«, »Die Kinder des Monsieur Mathieu«) für den Original-Filmscore.

Schon für die Bildgestaltung von Michael Hanekes »Das weiße Band«, so erinnert sich Christian Berger, habe er bereits einmal die Technicolor-Bilder von ­Luchino Viscontis Direttore di Fotografia, Armando ­Nanuzzi, unter die Lupe genommen, um besonders die Lichtführung bei Petroleumlampen auf der Leinwand natürlich aussehen zu lassen. Seine Bilder für den Film drehte er damals noch auf Farbnegativmaterial, das die hohen Lichtkontraste noch gut verkraften konnte, und es sogar ermöglichte, den Film in großartiger Schwarzweißfotografie herauszubringen. Dass er dann selbst wenig später ausgerechnet Viscontis berühmtes Filmvermächtnis über Ludwig II. neu verfilmen sollte, und dabei auch noch digitale Technik verwenden ­würde, das hätte sich der Bildgestalter wohl damals nicht ausgemalt. Bis dahin wurde seine Arbeitsweise durch die jahrelange intensive Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Haneke geprägt. Beide realisierten gemeinsam Filme wie »Benny´s Video«, »Die Klavierspielerin«, »Caché« und »Das Weiße Band«. Aber technisch aufwändig ausgeleuchtete Filmsets etwa, waren nie Hanekes Sache, er lehnt sie bei seinen Filmen generell stets ab. Statt dessen benötigt er für das realistische Spiel eine natürliche Atmosphäre, um schon beim Drehen so nah wie möglich an die spätere Bildwirkung heranzukommen. Dabei blieben dem Kameramann als Gestaltungsoptionen dann meist nur empfindliche Filmemulsionen und große Blendenöffnungen im Zusammenspiel mit einer vorhandenen, unverfälschten, stets reduzierten Lichtführung – technisch wohl zweifellos immer die größere Herausforderung für einen Lichtbildner.

Für »Ludwig II« waren es besonders die Vielzahl der historischen Originalmotive (fünfzehn!) mit jeweils eigenen Lowlight-Situationen, die die Anforderungen vom Kamera- und Lichttechnischen her recht hoch setzten. Da kamen dem bisher eher filmverbundenen DoP die neuen Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz der ARRI Alexa boten, diesmal gerade recht. Die Dreharbeiten warteten mit einer Reihe schwieriger ­Situationen auf, angefangen mit einem nächtlichem Feuerwerk auf Schloss Herrenchiemsee und zahl­reichen Innen- und Außenszenen in Low- und available Light mit obligatorischem Kerzen- und Fackellicht und motivbedingten stark eingeschränkten Lichtverhältnissen. Was Berger beeindruckte: Der Sensor der Alexa mit seiner Empfindlichkeit von 800 ASA und seinem gut 13 Blenden umfassenden Dynamikumfang erlaubte notwendige Unterbelichtungen zwischen vier bis fünf Blendenstufen, und dies, ohne Rauschen und Einschränkungen im Kontrast aufzuweisen, ja sogar ohne eine Anhebung der Farbsättigung nötig zu machen.


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