
Gut geschützt ist halb gedreht
Die cocoon GmbH aus Weimar ist ein relativ junges Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Schutzsystemen spezialisiert hat. Um Anwendern deren Stellenwert etwas bewusster zu machen, gewährte man Hermann Mader einen Einblick in eine Arbeit mit überraschend unterschiedlichen Aspekten.
Ob Hobbyfotograf, DoP oder Mitarbeiter in einem Filmgeräteverleih – jeder kennt das Phänomen: Man bestellt ein neues Objektiv-Set oder eine Kamera und wartet ungeduldig auf den Lieferdienst. Einige Tests und Einstellungen später erfreut man sich dann an den ersten guten Ergebnissen mit dem neuen Stück. Doch keine Ausrüstung ohne entsprechende Transportmöglichkeit. Tasche oder Koffer? Selber bauen oder bauen lassen? Wie verwende ich das alles eigentlich?
An dieser Stelle brauchen selbst Profis die Unterstützung von Spezialisten. So kann man z.B. bei der cocoon GmbH nicht Rigs, Stative oder Dollys kaufen, sondern Schutzsysteme. Dort hat man sich die Sicherheit von Objektiven, Kameras und all dem Zubehör, das für ein funktionierendes Set unentbehrlich ist, zur Aufgabe gemacht. Das klingt zwar im ersten Moment leicht, ist jedoch um einiges schwieriger, als man denkt.
Manch ambitionierter Nutzer hat sicherlich schon einmal zum Messer gegriffen und die leidlich bekannten Würfelschäume oder Schaumstoffblöcke mit viel Kreativität und guten Ideen zurechtgeschnitten und ausgehöhlt. Doch auch wenn die Ergebnisse der eigenen Arbeit mit andauernder und stets wiederkehrender Übung besser zu werden scheinen, beschleicht den Betrachter dieser Selbstbaulösungen oft ein eigenartiges Gefühl. Nicht ohne Grund: »Wenn man weder die Materialwahl noch die Konstruktion der Inlays eines Koffers an das Produkt und die Anwendung anpasst, kann auch der geschickteste Selbstbauer keine sichere Lösung erreichen,« sagt Patrick Biesinger, Geschäftsführer der cocoon GmbH. Hintergrund für ärgerliche Transportschäden sind die auftretenden g-Kräfte. In diesem Fall handelt es sich um negative Beschleunigung beim Aufprall, im Gegensatz etwa zur bekannten, positiven Beschleunigung eines Sportwagens oder einer Zentrifuge. Sie bestimmen, welchen Schaden ein Bauteil nehmen kann. Probleme, die mit plötzlich auftretenden, negativen g-Kräften einhergehen, merkt man nicht nur bei einem Autounfall, sondern man sieht es empfindlichen Produkten auch nach einem freien Fall aus nur wenigen Zentimetern Höhe oftmals sofort an. Sensoren arbeiten im schlimmsten Fall ungenau, Fassungen verziehen sich, sodass die optimale Lichtführung durch die Linsen nicht mehr gewährleistet ist.
Schützen und stützen
»Die wichtigste Aufgabe eines Schutzsystems ist es immer, dass die erwarteten Kräfte möglichst optimal durch die Schutzverpackung absorbiert werden, um sie vom Produkt abzuleiten und somit gering zu halten«, fasst Gundolf Henkel, Chefkonstrukteur bei cocoon, diesen entscheidenden Punkt zusammen. Doch was so einfach formuliert werden kann, stellt die Konstrukteure vor erhebliche Anforderungen. Oftmals sind Produkte wie Kameras oder Objektive an vielen Stellen gar nicht in der Lage, den beim Fall entstehenden Impuls an den umliegenden Schaum abzugeben. Einzelne Bauteile, wie etwa Knöpfe, Displays oder hervorstehende Halterungen würden einfach wegbrechen. Dabei können auch massive Kräfte im Inneren der Kamera auftreten. Hohe Beschleunigungswerte sind so auch pures Gift für Leiterplatten, die Justierung von Sensoren oder die Befestigungen von meist massereichen Kühlkörpern.
Selbst wenn diese zerstörerischen Kräfte etwa bei einem Aufprall in ihrem Maximum nur für wenige Millisekunden wirken, sind ihre Auswirkungen umso ärgerlicher, wenn ein lange geplanter und teurer Drehtag gefährdet ist, weil die eigene Ausrüstung fehlerhafte Ergebnisse liefert.
Bei ihren Schutzkoffern, die cocoon für Rentals oder auch Hersteller wie Carl Zeiss fertigt, müssen es die Ingenieure schaffen, an den zur Verfügung stehenden belastungsresistenten Punkten eines Körpers eine möglichst große Menge der entstehenden Beschleunigungsenergie abzubauen. Eine Aufgabe, die manchmal der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht und wenig Spielraum zulässt.
»Schützen kann man ein Produkt aber nicht allein mit einer guten Konstruktion«, erklärt Gundolf Henkel: »Entscheidend ist auch die richtige Wahl und Kombination der Materialien.« Diese gibt es in unterschiedlichen Dichten, Dicken und Oberflächenspannungen. Sie müssen so exakt aufeinander abgestimmt werden, dass sie im Zusammenspiel eine sichere Transportlösung ergeben. »Allein oder ohne Berücksichtigung all der anderen Bestandteile bleibt das Schutzsystem nahezu wirkungslos. Statischer Anpressdruck, dynamische Stauchdichten, Formstabilitäten und Beständigkeit von Schäumen und Koffern definieren, wie verschiedene Materialien kombiniert werden. Wer hier nicht sorgfältig vorgeht, kann die niedrigen g-Kraft-Toleranzen derart empfindlicher und hochwertiger Produkte nicht erreichen.«
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