
S3D-Tiefe
Das ZDF produziert in S3D. Kein kleines Testvideo, sondern reichlich spektakuläres Extremst-Klettern mit den Huberbuam. Gedreht u.a. mit einem Spiegelrig in der senkrechten Wand. Ruodlieb Neubauer sprach mit Produktionsleiter Peter Borig über die Hintergründe dieser Produktion, die bewusst ein Bombardement mit S3D-Jahrmarkt-Effekten vermeidet.
Im Jahr 2010 gab es an verschiedenen Stellen im ZDF die Bestrebung, sich mit dem Thema S3D in der Praxis zu beschäftigen – von ZDF Enterprises über den Bereich Aus- und Fortbildung bis hin zum Geschäftsfeld Bildgestaltung unter der Leitung von Matthias Haedecke. Auch auf ZDF-Kulturchef Peter Arens und Redaktionsleiter Alexander Hesse hatten bei der BBC gesehene S3D-Tierbilder sehr großen Eindruck hinterlassen, sodass sie beschlossen, ein eigenes S3D-Pilotprojekt auf den Weg zu bringen.
Bereits im Frühjahr 2010 hatte auch Peter Borig vom ZDF-Produktionsmanagement den Auftrag bekommen, sich mit Fragen wie dem Stand der Technik, dem Mehraufwand bzw. den wirtschaftlichen Auswirkungen gegenüber einer Produktion in 2D zu beschäftigen. Die verschiedenen Aktivitäten mündeten in ein Treffen in der zweiten Jahreshälfte und in Folge im Entschluss, ein 3D-Projekt innerhalb des ZDF aufzusetzen – als Eigenproduktion, denn das gesammelte Wissen sollte anschließend dem Haus zur Verfügung stehen. Auf der Suche nach einem geeigneten Format kam man in der Redaktion Geschichte und Gesellschaft unter der Leitung von Alexander Hesse auf das Thema »Natur«. Über die Kletterei landete man schnell bei den beiden Superstars dieser Szene: Thomas und Alexander Huber, den Huberbuam, die nach einer Anfrage sogleich Feuer und Flamme waren, bei diesem Premierenprojekt dabei sein zu können.
Regisseur und Drehbuchautor Jens Monath, der »Am Limit« und vor allem auch das dazu gehörende Making-Of kannte, ahnte sofort, wie kompliziert die Aufnahmen werden würden. Schon in 2D wäre es im wahrsten Sinne des Wortes kein normaler Spaziergang gewesen, aber in S3D? In London besuchten Jens Monath und der ZDF-Kameramann Claus Köppinger ein Seminar von Phil Streather, der nicht nur einige große Tierdokumentationen in S3D produziert hatte, sondern auch die bekannte Aufnahme der Oper »Carmen«. DoP Claus Köppinger hatte zudem schon im August 2010 an einem fünftägigen S3D-Workshop im Rahmen von »Hands on HD« in Hannover teilgenommen, und war dort bereits vom renommierten Stereographen Alaric Hamacher mit dem S3D-Virus infiziert worden. Hamacher und sein Team von Virtual Experience waren dann auch erste Ansprechpartner für Stereographie und 3D-Consulting im Rahmen des Projekts und wurden aufgrund ihres Einsatzes und ihrer großen 3D-Erfahrung zu einem wesentlichen Faktor für das Gelingen der Produktion.
Der Inhalt des Filmes stellt eigentlich ein Portrait der beiden 44 und 42 Jahre alten Brüder Thomas und Alexander Huber dar – einerseits eines jeden für sich bei seiner individuellen Vorbereitung, andererseits ihres Zusammenspiels im Rahmen ihrer Seilschaft. Als Aufhänger dient die Be»gehung« der Route »Karma« an der Steinplatte, die sich in der Region der Loferer Alm in der Nähe von Berchtesgaden befindet. Eine der großen Freikletter-Herausforderungen, mit Passagen im 11. Schwierigkeitsgrad. Die Huber-Brüder hatten die Erschließung zwar schon begonnen, allerdings noch nicht durchklettert. »Karma« sollte nach eigener Aussage der Huberbuam der krönende Abschluss ihrer Freikletter-Karriere werden. Nach der plötzlichen Diagnose eines zum Glück gutartigen Nierentumors bei Thomas Huber im Frühjahr 2011 bekam die Route dann darüber hinaus eine deutlich schicksalshaftere Bedeutung für die beiden.
»Gerade im Hinblick auf die Exponiertheit mancher Kletterszenen hat die zusätzliche Tiefe von S3D einen überragenden Effekt. Das konnte man schon bei der Sichtung des ersten Rohmaterials erkennen«, berichtet Peter Borig. Zuschauer, die nicht schwindelfrei sind, werden angesichts der Bilder wohl einen eigenen Reiz verspüren. Für Brancheninsider bekommt die Produktion zudem eine besondere Note, wenn man weiß, dass hier nicht etwa mit zwei starr installierten Fingerkameras am Helm gearbeitet wurde, sondern mit einem Freestyle Rig von P+S Technik auf der Schulter. Beziehungsweise irgendwo in deren Nähe. Denn selbst wenn die beiden Extrem-Kameramänner Franz Hinterbrandner und Max Reichel damit nicht so spektakulär klettern mussten wie die Huber-Brüder dies tun – im Umfeld eines 11. Schwierigkeitsgrades kann man wohl eher selten elegante Steadycam-Bewegungen tanzen.
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