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Schilf | PRODUKTIONSBERICHT    Ausgabe 08-09/11

Galaktischer Thriller

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Entführung, Mord und parallele Welten – XFilme bringen den komplexen Roman »Schilf« auf die Leinwand. Sonja M. Schultz traf DoP Manuel Mack zum Gespräch über die 16mm-Scope-Produktion.

In einem unserer Paralleluniversen steht die Ber­liner Mauer noch, durch ein anderes stapfen Dinosaurier. Und schon in der Welt nebenan herrscht vielleicht ein Gesellschaftssystem, das Elend und Ungleichheit erfolgreich überwunden hat. Das ist utopisch? – Das ist Physik! Genauer gesagt: Das ist die Viele-Welten-Theorie, derzufolge für jede Möglichkeit des Universums eine eigene Welt entsteht. In dieses theoretische Modell eines unendlich verzweigten Multiversums versenkte sich vor einigen Jahren die deutsche Autorin Juli Zeh. Vor dem Hintergrund der abstrakten Quantenphysik konstruierte sie eine ganz konkrete Mord­geschichte und schrieb den Roman »Schilf«. Manuela Stehr von X Filme sah das Potenzial im Quantenkrimi und brachte dessen Verfilmung auf den Weg. Im Juni 2011 wurde »Schilf« schließlich abgedreht, unter der Regie von Claudia Lehmann. Die 36-Jährige hat nicht nur an der Hamburg Media School studiert und dort 2007 mit »Memoryeffekt« einen vielversprechenden Abschlussfilm inszeniert. Sie hat auch promoviert – in Theoretischer Elementarteilchenphysik. Gute Voraussetzungen also, um das Universum von »Schilf« Wirklichkeit werden zu lassen.

Manuel Mack kennt die Regisseurin schon seit langem. Als Claudia Lehmann ihm 2009 die erste Drehbuchfassung zu lesen gab, war er selbst noch gar nicht als Kameramann im Gespräch. Zwei Jahre hörte Mack daraufhin nichts mehr vom Projekt. Doch als schließlich zur Zeit der Berlinale 2011 die Anfrage an ihn selbst als Bildgestalter kam, musste er nicht lange überlegen: »Mir war klar, dass diese Zeit mit Claudia auf jeden Fall Spaß machen würde. Außerdem fand ich es wirklich reizvoll, für einen Stoff, bei dem viele sagen, er ist bildlich sehr schwer umzusetzen, eine passende Sprache und Form zu finden.«

Denn »Schilf« scheint selbst aus mehreren Story-Universen zu bestehen: In der Geschichte der befreundeten Physiker Oskar und Sebastian, von denen der eine dazu gebracht wird, einen Mord zu begehen, steckt ein Psychothriller um Kindesentführung und Erpressung, das Drama einer sehr speziellen Freundschaft mit ganz unterschiedlichen Lebensmodellen, ein Exkurs in die Viele-Welten-Theorie und ein Gedankenspiel um Schuld und Moral in ebenjener Welt, welche die unsere ist. Und zuletzt ist da noch ein mysteriöser alter Mann, der zum hiesigen Universum auch nicht so recht zu passen scheint.

Dreh auf Film

Dieser Stoff sollte unbedingt »klassisch« auf Film entstehen: Das war der Wunsch von Claudia Lehmann, Manuel Mack – und zum Glück auch der ausdrückliche Wunsch der Produzentin Manuela Stehr. »Ich wollte in diesem Fall nicht digital fotografieren, weil es zu clean und durch das oft Kammerspielartige der Story insgesamt zu distanziert werden würde«, erklärt der DoP. »Ich wollte für ›Schilf‹ einen lebendigen Look und ein Filmkorn, welches dem Stoff eine gewisse Weichheit gibt.« Dafür war Mack auch bereit, Einbußen bei der Lichtbestellung zu machen. Denn das Budget war ohnehin schon knapp bemessen. Nach der Absage einer Filmförderung hieß es aus finanziellen Gründen: »Ihr müsst digital drehen.« Mack verfasste daraufhin ein dreiseitiges Plädoyer für das Medium Film bei diesem Projekt.


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Ausgabe
November / Dezember 2011